Verfall der deutschen Sprache oder eine sprachliche Innovation?
Die Welt ist kompliziert und die Informationsüberlastung gross. Je nach Quelle verpuffen bis zu 98 Prozent aller Botschaften und kommen in den Köpfen der Konsumenten gar nie an. Kein Wunder bei nur schon 85 Sorten Toilettenpapier. Und dem vielen Kleingedruckten. Ein Goldfisch kann sich neun Sekunden konzentrieren. Ein Mensch nur acht.
Umgesetzt auf Texte und Sprache heisst das: Nur noch Stichworte kommen an. Sätze mit mehr als sechs Wörtern überfordern die Lesenden. Deshalb formulieren die Texterinnen und Texter der Kreativagenturen ihre Headlines und Claims kurz und bündig. Gleich dem Stakkato in der Musik: kurze, abgehackte Töne.
Scheinbar ging diese Erkenntnis wie ein Tsunami der Erleuchtung durch die Text- und Werbeagenturen des deutschsprachigen Europas. Von einem Tag auf den anderen wurde auf Stichworte umgestellt.
«Einfach. Mehr. Wert», sagt uns die Bank Linth. «Einfach. Klar. Helvetia», doppelt die Versicherung nach. «Einfach. Sicher. Unterwegs», lautet der Slogan des deutschen ADAC. «Einfach. Clever. Beraten», verspricht uns eine Telekommunikationsfirma.
Da sieht man auf den ersten Blick: Die Welt ist einfach. So wie die Claims.
Der Vorteil dabei ist, dass Texter und Texterinnen von der Rechtschreibung und den Kommaregeln nicht mehr geplagt werden. Und auch Korrektoren, Korrektorinnen werden so entlastet. Ausserdem passt die stichwortartige Kommunikation perfekt in die heutige Zeit. Im Coop to go heisst es schliesslich auch: Sack welle? Bschteck welle? Quittig welle?
Erfunden haben es aber nicht die Schweizer. Erfunden hat es Ritter Sport bereits 1970. Mit dem legendären «Quadratisch. Praktisch. Gut» für die quadratische Schokolade.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen